Die Glücksritter sind weg, jetzt kommt es wieder auf die Profis an
WiWo.de (Wirtschaftswoche) von Felix Petruschke und Philipp Frohn
Den ersten Eindruck von der Stimmung auf Deutschlands wichtigster Immobilienmesse Expo Real bekommt man bereits in der U-Bahn. Die Gespräche drehen sich am Montagmorgen wider Erwarten nicht um die Höhe der Bauzinsen, die vertrackte Bürokratie oder fehlende politische Rückendeckung. Die Probleme sind erst einmal viel banaler. Wer nicht schon zuvor seine Promillegrenzen auf dem Oktoberfest auslotete, stand vor der Frage: Wie kommt man in diesen Tagen eigentlich nach München? Mit der Bahn? Nur, wenn man einen halben Tag Puffer einplant. Mit dem Flugzeug? Mit Blick auf eine zwei Kilometer lange Warteschleife vor den Ticketkontrollen am vergangenen Wochenende auch wenig verlockend. Dann also doch das Auto, ist sich die Gruppe in der U-Bahn einig. Und stand am Sonntag dann zwischen Frankfurt und München eine Stunde im Stau. Von der schwelenden Mobilitätskrise und den vor sich hin bröselnden deutschen Straßen und Brücken kommt man dann aber doch zum eigentlichen Thema: der Lage am deutschen Immobilienmarkt. Noch bis Mittwoch kommenauf der jährlichen Expo Real Tausende Branchenvertreter zusammen, diskutieren die jüngsten Entwicklungen am Markt, beratschlagen und werben um neue Geschäftspartner.
Die gute Nachricht: Die Stimmung ist besser als im vergangenen Jahr. Die schlechte: Das allein heißt noch nicht viel. 2023 erinnerte das Treffen zum Teil an einen endlosen marineblauen Trauerzug, bei dem man sich unwillkürlich fragte, welches Unternehmen wohl demnächst Insolvenz anmelden könnte. Die Folgen der Zinswende steckten vielen noch in den Knochen. Wohl auch deshalb ist die Messe in diesem Jahr nicht so stark besucht wie 2023, ungefähr vier Prozent weniger Teilnehmer, schätzen Insider. Im vergangenen Jahr zählte die Messe rund 40.000 Besucher. „Die Glücksritter sind weg, jetzt kommt es wieder auf die Profis an“, kommentiert Dominik Barton, CEO der Barton Group, einem familiengeführten Immobilienunternehmen, das sich auf Wohn- und Geschäftshäuser spezialisiert hat. In der Krise habe sich der deutsche Wohnmarkt als enorm resilient bewiesen, sagt er. Die Mieten entwickelten sich überall „enorm dynamisch“, besonders in B- oder C-Lagen wie etwa Magdeburg oder Rostock. Für ihn als Bestandshalter ein stabiles Geschäftsmodell. Dieses Thema dominiert die Expo Real.
Was Transaktionen – also den Kauf und Verkauf von Wohnungen angeht – bleibt Barton vorsichtig. „Wir sind in den Startlöchern“, betont er, will aber die nächsten Monate noch abwarten, wie
sich der Markt entwickelt. Diese Haltung wird von vielen in der Branche geteilt: Nach zwei Jahren Dauerkrise ist Vorsicht die Mutter aller Immobilieninvestments.
Dennoch hellt sich die Stimmung allmählich wieder auf – und zwar schneller, als so mancher Branchenkenner gedacht hatte. Am Vorabend des Messeauftaktes traf sich ein kleiner Kreis aus der Immobilienwirtschaft zu Wein und Dinner im Edelhotel Bayerischer Hof. Unter ihnen: Michael Jürgen Schick, Ehrenpräsident des Maklerverbandes IVD. „Es hat mich überrascht, wie schnell sich die Stimmung am Immobilienmarkt wieder gedreht hat“, erzählt er. Die Immobilienpreise bewegten sich nun wieder auf dem Niveau der Jahre 2019/2020, die meisten Bestands- halter würden bei einer Veräußerung trotz der Preisrückgänge der letzten Jahre also ein Plus einfahren. „Wir haben wieder glückliche Verkäufer“, berichtet Schick.
Die sich aufhellende Stimmung hat vor allem einen Grund, erklärt Maria Teresa Dreo-Tempsch, Vorständin der Berlin Hyp: „Die Zinsen.“ Nach den lange erwarteten ersten Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank seien die Bauzinsen mittlerweile auf einem „moderaten Niveau“. Innerhalb eines Jahres hat sich zehnjähriges Baugeld von 4,2 auf nun etwa 3,3 Prozent verbilligt. In den nächsten Monaten sei eine Seitwärtsbewegung wahrscheinlich. Was erst einmal nicht nach dem großen Wurf klingt, hat für Unternehmen Vorteile, erklärt Dreo-Tempsch: Zum einen können sie mit dem aktuellen Zinsniveau nun wieder verlässlicher kalkulieren. Und zum anderen kann sich die Branche auf diese Weise endlich stabilisieren. Trotzdem, schränkt Dreo-Tempsch ein, gebe es vor allem bei den Transaktionen weiter „viel Luft nach oben“. Auch die Berlin Hyp bleibt – wie viele anderen Banken – bei Finanzierungen zurückhaltend. Und verlangt viel Eigenkapital als Sicherheit. Von einer echten Trendwende am Bau oder gar einem neuen Bauboom will sie deshalb nicht sprechen.Bestand ja, Neubau nein. Was bei allen Gesprächen, Podiumsdiskussionen und Nebenveranstaltungen ebenfalls herauszuhören ist: Der Immobilienmarkt ist zersplittert. Manches geht wieder deutlich einfacher als im vergangenen Jahr, andere Sparten bleiben riskant. Am optimistischen sind zweifellos die Bestandsentwickler, steigenden Mieten und sinkenden Zinsen sei Dank. In anderen Bereichen geht nur wenig – vor allem bei Projektentwicklern.
Während sich viele Unternehmen von Neubauprojekten distanzieren, floriert der Bestand. „In vielen Städten gibt es weiterhin Potential für Mietsteigerungen. Zum Beispiel im Umland der Großstädte oder in Potsdam und Leipzig. Dort kommt man von einem niedrigeren Mietniveau“, sagte Tarik Wolf, CEO der Quarterback Immobilien AG im Vorfeld. Auch er schränkte aber ein: „Selbst wenn von heute auf morgen wieder die besten Bedingungen herrschen würden, wären viele Firmen erst einmal überfordert: Stellen wurden abgebaut,
Produktionen etwa für Ziegel verkleinert, Fachkräfte wechselten die Branche.“ Etwas abseits des üblichen Trubels haben die Veranstalter in diesem Jahr erstmals eine eigene Bühne für das Thema „Transform & Beyond“ aufgebaut. Was erst einmal maximal vage klingt, entpuppt sich als die größte Herausforderung der Branche: die Dekarbonisierung des Gebäudebestandes, verbunden mit KI-Programmen zur Analyse von Grundstücken oder dem Einsatz von Robotern in der Produktion vorgefertigter Module. Wenn die Baukrise der vergangenen Jahre etwas Gutes hatte, dann dass diese neue Ansätze nun endlich ihr Nischendasein beendet haben, zeigt sich eine Moderatorin zufrieden.
Wie das zum Beispiel funktionieren kann, führt das Unternehmen Ecoworks vor. Gründer Emanuel Heisenberg ist ein internationaler Vorreiter beim Thema Serielle Sanierung. Dank einem Gebäude-Scan kann Ecoworks bereits auf der Grundlage von Google-Maps-Bildern eine Schätzung erstellen, was eine Sanierung kosten würde – „plus oder minus zehn Prozent“, erzählt Heisenberg. Er ist zuversichtlich, dass durch den Einsatz von KI die Kosten für Serielle Sanierungen bald stark fallen werden: „The best is yet to come – das Beste kommt noch“, sagt er zuversichtlich, gibt aber zu, dass sein Unternehmen zumindest im Moment noch von staatlichen Förderungen abhängt.
Vielleicht kann man den vorsichtigen Optimismus der Branche also auch als Zeichen für mehr Bescheidenheit deuten. Das wäre etwas, das den meisten Teilnehmern traditionell eher schwer fällt. Anders als sonst waren selbst an den Ständen der Saudis und der Emirate am Montag keine mit Schokolade gefüllten Goldbarren auszumachen. Mal sehen, ob das in den kommenden Jahren so bleibt.
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